The Insider (Lisa Gerrard, Pieter Bourke) - Filmmusik-Betrachtung



                                                                                        Trailer


         
Interview with Michael Mann



The Insider ist ein Film von Michael Mann aus dem Jahre 1999 mit Russel Crowe und Al Pacino in den Hauptrollen. Er wurde von Kritikern weltweit als herausragend gefeiert, erzielte allerdings keinen großen finanziellen Erfolg. Im Gegenteil- Er war für die Studios ein Millionen-Verlustgeschäft. Auf der Suche nach Gründen wurden verschiedene Dinge beleuchtet. Unter anderem stellte man fest, dass kaum junge Menschen diesen Film sahen. Dazu kommt vielleicht die Enttäuschung darüber, dass es sich bei dem Film in großem Maße um Charakterstudien handelt. Es gibt keine großen Actionszenen; keine Schießereien. Wer etwas Ähnliches wie Heat erwartet hatte, der wurde gnadenlos enttäuscht. Auch der Trailer führt mit seinen schnellen Schnitten komplett in die Irre, denn der Film ist sehr langsam in seiner Gangart. Der Lohn für die Macher des Films spiegelt sich vor allem in Nominierungen und Auszeichnungen bei großen Filmfestivals wider. Diese bezogen sich beispielsweise auf die Kategorien Kamera und Schnitt, aber auch auf die Filmmusik, welche in erster Linie von Lisa Gerrard und Pieter Bourke geschrieben wurde.


Schnörkellos und präzise


Es handelt sich um eine dezente Musik für einen dezenten Film. Es gibt kein wirklich memorables Hauptthema. Besonders der Stil von Lisa Gerrard ist gut herauszuhören. Es findet sich hauptsächlich ein Wechsel von zurückhaltender aktionistischer Musik und langgezogenen Streicherpassagen, wie es für die Komponistin typisch ist. Besonders die Parallelen zu Whale Rider sind auffällig. Der Soundtrack als Gesamtwerk ist schnörkellos und präzise; geradezu minimalistisch. Emotionen werden nicht künstlich aufgeblasen, hektische Szenen nicht bombastisch untermalt. Wenn es einen Soundtrack gibt, wo man die Musik kaum wahrnimmt, dann ist es dieser, denn sie bleibt konsequent hintergründig und unaufdringlich. Und doch ist sie unglaublich wirkungsvoll.


Golf unter Flutlicht


Eine hervorragende Szene ist zum Beispiel diese, in welcher Dr. Wigand Golf spielt und dabei beobachtet wird. Zu Beginn stehen nur dunkle Akkorde, die eher Lautmalerei als Musik entsprechen. Sie spiegeln das Innenleben des Protagonisten sehr gut wider. Dann bemerkt er seinen Beobachter und da beginnt es interessant zu werden. Denn normalerweise wird in so einem Moment die Musik gern lauter gedreht. Hier passiert das Gegenteil. Sie verstummt. Was dann zu hören ist, kann man schwer zuordnen. Sollen das Soundeffekte oder Musik sein; man weiß es nicht. Es setzen dann hohe Streicher und eine Frauenstimme ein, die geradezu mystisch anmutet. Die Szene ist unglaublich effektiv gestaltet; auf jeder Ebene.


Das Opfer des Dr. Wigand


Eine der intensivsten Passagen des Soundtracks trägt den Titel "Sacrifice" auf dem Album. Sie erklingt kurz nach der Aussage von Dr. Wigand unter Eid als Ausdruck der Heldentat, als welche, bei den zu befürchtenden Konsequenzen für ihn, man sein Handeln wohl bezeichnen muss. Allerdings gibt es da eben den Rattenschwanz. Und zwar einen, den der Protagonist scheinbar selbst nicht erwartet hatte, nämlich, dass er, zu Hause angekommen, einen Brief von seiner Frau vorfindet, die dort schreibt, dass sie die Scheidung einreichen werde. Dieses Opfer nimmt geradezu übermenschliche Züge an, als zwischenzeitlich unklar ist, ob das Interview überhaupt gesendet werden kann. Es ist interessant, wie eine einzige Melodie genutzt werden kann, um Erleichterung und Schock gleichermaßen adäquat darzustellen.


Was Marokko und die USA gemeinsam haben


Eine interessante musikalische Entdeckung kann man als Fan von Gustavo Santaolalla machen. Sein 2006 erschienener Soundtrack zu dem Film Babel beinhaltet einen Track mit dem Titel "Deportation/Iguazu", welcher die überaus eindrucksvolle Hubschrauberszene untermalt. Diese Melodie findet sich auch in The Insider, wenn auch in kürzerer Form. Einmal hört man sie in der Szene, als Dr. Wigand's Haus durchsucht wird und einmal, als er zum Gericht fährt. Santaolalla steuerte zu dem Soundtrack nur diesen einen Track bei. Und ich empfinde ihn persönlich als einen der absoluten Höhepunkte; sowohl in The Insider, als auch in Babel. Dass die Hubschrauberszene in Letzterem wie ein Musikvideo wirkt, klärt sich an dieser Stelle auch, denn die Schnitte wurden offensichtlich der bereits bestehenden Musik angepasst, wie es für Filmmusik eher untypisch ist. Bis einem diese Parallele klar wird, kann man denken, Santaolalla hätte den Oscar für Babel unter anderem aufgrund dieses genialen Stückes erhalten. Nun aber erscheinen zwei Optionen denkbar: Entweder war für die Jury "Iguazu" kein entscheidendes Kriterium, oder einige Juroren wussten nichts von dieser Parallele.


Fazit: Whale Rider mögen = The Insider kaufen sollen / und umgekehrt


Insgesamt handelt es sich um einen Soundtrack, der für sich allein stehend, von wenigen Tracks abgesehen, wohl eher nicht so viel Sinn macht. Er lebt vor allem von der Intelligenz der Komponisten, die, um des Gesamtkonzeptes willen, auf breite orchestrale Klangteppiche verzichtet haben. Nach dem Motto "Weniger ist mehr" wurde nur das Nötigste an Klängen in den Film eingeflochten, um ihn so authentisch wie möglich zu halten. Eine Empfehlung zum Kauf des Soundtracks kann man vor allem für Menschen aussprechen, die die Musik zu Whale Rider und andere Werke von Lisa Gerrard schätzen. Diese sollten in jedem Fall auf ihre Kosten kommen...


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