Ein Mann komponiert eine legendäre Filmmusik, in der ein unsinkbares Schiff untergeht. Knapp zwanzig Jahre später kommt er selbst durch ein Flugzeugunglück ums Leben. James Horner hat 1997 mit Titanic den Höhepunkt seiner Karriere erlebt. Er schrieb damals einen der erfolgreichsten und bekanntesten Soundtrack aller Zeiten. Zwei Oscars waren der Lohn.
James Horner war selten unumstritten. Sein Name wurde regelmäßig im Zusammenhang mit Plagiatsvorwürfen aller Art genannt. Man bemängelte die regelmäßige Wiederholung bestimmter musikalischer Phrasen in seinen Werken. Man warf ihm Einfallslosigkeit vor.
Unbestritten ist jedoch sein massiver Einfluss auf die Filmmusik, insbesondere des späten 20. Jahrhunderts. Er komponierte für fast jedes Genre, arbeitete mit zahlreichen Regisseuren zusammen. Insbesondere im Bereich Abenteuer, Science Fiction und Fantasy sind aus seiner Feder einige der bekanntesten Melodien der Filmmusikgeschichte geflossen. Der Zorn des Khan, Aliens, Willow, Legenden der Leidenschaft und Braveheart sind nur einige Beispiele. Unter Horner-Liebhabern finden sich aber natürlich auch einige eher unbekanntere Edelsteine wie beispielsweise The Rocketeer oder The Spitfire Grill.
James Horner schrieb Filmmusik, die immer wieder auch über den Film hinaus im Gedächtnis blieb. Viele Menschen können seine Melodien recht klar bestimmten Filmen zuordnen. Titanic ist da nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs.
Persönlich möchte ich sagen, dass ich tatsächlich etwas unter Schock stehe. James Horner war einer der Helden meiner Jugend. Ich hörte viele seiner Alben mit großer Freude. Seine Melodien und insbesondere die harmonischen Feinheiten trafen mich teilweise bis tief ins Mark. Die Hornpassage, als William Wallace in der Schlacht von Falkirk verraten wird, die Flötenmelodie, als Jack im Ozean verschwindet, die Eröffnung von A beautiful mind. Immer wieder drückte seine Musik für mich eine tiefe Sehnsucht nach dem Guten in der Welt aus. Immer wieder die Frage nach der Hoffnung.
In den letzten Jahren war Horner nicht mehr wirklich gefragt in Hollywood. Er komponierte deutlich seltener für das Medium Film. An manchen Stellen konnte man das Gefühl haben, dass sein Stern bereits im Untergehen begriffen war. Es schien, als ob im heutigen Hollywood andere Klänge verlangt wurden. James Horner war kein Freund der Überkompression. Seine Aufnahmen zeichnten sich in der Regel durch eine große dynamische Breite aus. Auch hielt sich in den meisten seiner Werke der Einfluss elektronischer Elemente in Grenzen. In Zeiten der Remote-Control-Dominanz durch Hans Zimmer & Co ist für klassische Orchestration kaum mehr Platz. Mögen Komponisten wie Alexandre Desplat (insbesondere in Arthaus-Filmen) oder John Williams (durch die engen Freundschaften zu Steven Spielberg und George Lucas) noch Nieschen finden, die es ihnen ermöglichen, klassische Filmmusik zu schreiben, James Horner war dies nicht vergönnt.
Ich muss gestehen, dass mein erster Gedanke, als ich von seinem Tod hörte, war, dass er Suizid begangen haben musste. Die Wertschätzung seiner Arbeit war seit der Jahrtausendwende nicht mehr die gleiche gewesen wie davor, was für ihn nicht leicht gewesen sein kann. Es stirbt mit James Horner in jedem Fall ein Mann, dessen Musik mich jahrelang begleitet hat. Und mir wurde die Endlichkeit unseres Daseins auf dieser Erde einmal mehr bewusst. Im Grunde genommen ging mir der Tod eines Menschen des öffentlichen Lebens noch nie so nahe, eben da mit seinen Melodien für mich zahlreiche schöne wie schmerzliche Erinnerungen verbunden sind.
Trotz seines tragischen Tods sehe ich sein Leben als eine Erfolgsgeschichte. Denn wer kann schon behaupten, einen so großen Einfluss auf die Gefühlswelt zahlloser Menschen auf der ganzen Welt gehabt zu haben? Irgendwann geht eben jedes Schiff unter - auch wenn man sich bei dem ein oder anderen wünscht, es hätte dem Wind noch etwas länger standgehalten. Nun ist es die Aufgabe der Hinterbliebenen das "Herz des Ozeans" irgendwann loszulassen und nicht ewig der Vergangenheit nachzutrauern...