In den Straßen der Bronx (Butch Barbella) - Filmmusik-Betrachtung



Trailer zu In den Straßen der Bronx



In den Straßen der Bronx (A Bronx Tale) ist das Spielfilmdebut von Robert de Niro als Regisseur aus dem Jahre 1993. Der Film wird oft als Hommage an "Altmeister" Martin Scorsese gesehen, mit dem De Niro vorher einige Male zusammengearbeitet hatte. Im Zentrum steht Calogero, ein heranwachsender junger Mann. Dieser hat einen liebenden und fürsorglichen Vater, Lorenzo, gespielt von Robert de Niro, der durch den zentralen Satz des Films verkörpert wird: "Nichts ist schlimmer als verschwendetes Talent." Und dann gibt es da noch Sonny, gespielt von Chazz Palminteri, den Gangsterboss, der das Viertel von Calogero und seinem Vater fest im Griff hat. Man kann die beiden erwachsenen Männer als Kontrahenten sehen, aber im Grunde genommen ziehen sie an einem Strang. Beide wollen Calogero fördern, einen anständigen Beruf zu lernen, damit aus ihm etwas werde. Sonny sagt ihm auch ganz klar, dass sein Weg nicht Calogeros Weg sei. Und Lorenzo gibt am Ende, als Sonny tot ist, auch zu, dass er ihn nicht gehasst habe, sondern nur böse auf ihn gewesen sei, weil sein Sohn bei ihm zu schnell erwachsen geworden war.


Butch Barbella - der Komponist?


Die Handlung allerdings, findet auf sehr viel mehr Ebenen statt. Es spielen in großem Maße Rassenkonflikte eine Rolle, dazu wird die Rolle der katholischen Kirche in dem Leben der Menschen betrachtet. Und die Musik - die Musik übernimmt in all diesen Konflikten eine absolut tragende Rolle. Als Komponist wird im Titel Butch Barbella angeführt, wobei dies vielleicht ein bisschen viel der Ehre ist, denn er hat genau einen Track zu dem Film beigesteuert. Allerdings ist er voll mit Musik, wenn auch bereits vorher bestandener. Die Künstler reichen von den Beatles, über Dean Martin, bis hin zu James Brown.


Warten auf den Traum in der Bronx der 1960er


Nahezu jeder Song scheint der Bedeutung des Films zu entsprechen und genauestens bedacht worden zu sein. Hier soll auf ein paar wenige zentrale Passagen eingegangen werden.
Der Film beginnt mit einem Blick über das Lichtermeer der Bronx. Eine Doowop-Gruppe (Cool Change) singt: "On the streets of the Bronx, is where I wanna be. Standing on the corner, singing good old harmony. I'll be waiting for the man to come along and discover me. My father preaching, son, please get a job, oh but I don't wanna work, lord, no, I wanna be a singing star." Dieses Lied muss man wohl als das Thema von Calogero betrachten, denn es spiegelt seinen Ausgangscharakter wider. Eigentlich trifft dies auch auf seine Freunde zu. Chazz Palminteri, der das Drehbuch schrieb, und auf dessen Jugend dieser Film beruht, beschreibt hier ein Bild, wie er die Bronx in den 1960er Jahren wahrgenommen hat. Ein Viertel, von dem man nur 15 Minuten in jedes andere brauchte, aber es auch 3000 Meilen hätten sein können. Eine in sich abgeschlossene, kleine Welt, wo kaum jemand über den Tellerrand schaute; wo man irrationale Träume hatte ("I'll be waiting for the man to come along and discover me.").


Calogeros Gang und vorbeifahrende Maximalpigmentierte


In zwei Szenen fungiert die Musik als Mittel zur Identifikation. Es wurde bereits gesagt, dass die Bronx etwas kleinbürgerlich dargestellt wird. Doch immer wieder gibt es da Einflüsse von Außen. Im Film sind diese hauptsächlich durch Afroamerikaner dargestellt. Insofern geht der Film auch in die Ursachenforschung von Rassismus. In diesem Fall scheint es so, dass die meisten Menschen in der Bronx ihr kleines Leben leben und froh sind, wenn einfach alles so weitergeht. Es gibt ihrem Leben Stabilität und Sicherheit. Die auf Fahrrädern und in Autos vorbeifahrenden "Nigger" werden individualpsychologisch als Bedrohung wahrgenommen. Genauer gesagt handelt es sich nur um eine Projektion. Man hat Angst vor der Veränderung und wenn plötzlich neue Einflüsse erscheinen, reagiert man auf diese mit Ablehnung. In diesem Fall sind es Maximalpigmentierte (was für ein Unwort, aber so soll es nun mal politisch korrekt sein), es hätten aber auch durchaus Chinesen sein können. Alles was das Fundament, auf welches man gebaut hat, erschüttern kann, kann auch als Projektionsfläche genutzt werden. Musikalisch interessant ist nun, dass sowohl Calogero und seinen Freunden, als auch den Eindringlingen bestimmte Musikgattungen zugedacht werden. In einer Szene beispielsweise sieht man die Jungs vor ihrem Club sitzen, während im Hintergrund "ihre" Musik zu hören ist. Dann plötzlich fährt ein Auto mit Schwarzen vorbei und aus ihrem Auto kommt Musik, welche man anhand der Stimmen und der Harmonik recht klar in Richtung "schwarze" Musik einordnen kann. Die Musiken überlagern sich und es entsteht eine Spannung. Das Auto biegt um die Ecke, verschwindet, und die ursprüngliche Musik ist allein wieder zu vernehmen.
Noch intensiver ist dieser Effekt eingesetzt, als Calogeros Gang den Club der Schwarzen angreift. Dort wechselt die Musik, je nachdem, ob von innerhalb des Autos oder aus Sicht der Afroamerikaner gefilmt ist.


Gewaltverharmlosung oder Kunstgriff?


Der Film heißt im englischen Original A Bronx Tale, was sehr viel passender ist als der deutsche Titel, da das Wort Geschichte vorkommt. Und das ist er auch. Er ist kein Film, der schonungslos die Brutalität darstellt, welche zu dieser Zeit an diesem Ort geherrscht haben muss. Die meisten brutalen Szenen sind mit Liedern unterlegt, die sanft von der Liebe singen. Am extremsten findet sich dieses Konterkarieren in der Szene, als die Rockerbande von Sonnys Leuten zusammengeschlagen wird. Da sind leise im Hintergrund die Schreie und Scherben zu hören, während im Vordergrund der Song "Ten Commandments Of Love" von Moonglows läuft. Hat man den Film zu Ende geschaut, ist einem gar nicht unbedingt bewusst, was für teifgreifende Konflikte man gerade vor Augen und Ohren bekommen hat. Manche mögen dies als Verharmlosung und Glorifizierung dieser Zeit sehen, andere als Kunstgriff, der allerdings zugegebenermaßen nicht vollkommen neu ist. In jedem Fall ist der Film in sich stimmig; auch durch die Entscheidung zu diesem Mittel.


"Christo Redentor" - die Frage nach dem Erlöser


In einer der letzten Szenen des Films findet sich dann das Stück "Christo Redentor" von Donald Byrd. Es ist von einem sehr spirituellen Album des Künstlers entnommen und bedeutet übersetzt "Christus der Erlöser". Gleichzeitig ist dies auch der Name des Wahrzeichens von Rio de Janeiro (der große Jesus auf dem Berg). Man sieht das brennende Auto der Freunde von Calogero. Man sieht ihre zugedeckten Leichen. Da De Niro kein bekennender Christ ist, sondern sich selbst als Intellektueller sieht, ist zu vermuten, dass es sich bei der Wahl dieses Stückes eher um einen Wunsch handelt, denn um ein Glaubensbekenntnis. Aber sie zeugt wohl zumindest von einer Hoffnung auf eine mögliche Versöhnung, vielleicht aber auch von den Zweifeln, ob grundlegende Probleme unseres Daseins von uns allein gelöst werden können.


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